Im Teil zwei meiner Objektivtests will ich mich mal zu Thema Verzeichnungen ausbreiten.
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Verzeichnung, das ist einmal die tonnenförmige Verzeichnung und zum anderen haben wir die kissenförmige Verzeichnung.
Extrem dargestellt sieht die aus wie in der Grafik unten:
Das ist die Variante, die vor allem bei Teleobjektiven zu finden ist. Kissenförmig wird das genannt, weil Omas Sofakissen auch schon so ausgesehen haben und man noch bis in die 1980er Jahre den Knick durch einen „Karateschlag“ in die Mitte des oberen Randes des Objektes betont hat.
Die Kreisbögen weisen nach innen.
Das gezeigte Beispiel dient hier nur didaktischen Zwecken und dient der visuellen Verdeutlichung.
Dann gibt es das andere Extrem, die tonnenförmige Verzeichnung. Der Grund für den Namen wird klar, wenn man mal in eine Tonne hineingeschaut hat: Die Kreisbögen weisen nach außen:
Zu guter Letzt gibt es auch noch Mischformen daraus. Die sind vor allem bei Objektiven mit asphärischen Linsen zu beobachten, vor allem, wenn sie preiswerter gewesen sind oder richtig billig waren. Dann kommen gleich mehrere Faktoren zusammen: Man kann eine Linse schleifen. Das wird vor allem bei aufwändig gefertigten Objektiven gemacht und erlaubt eine sehr hohe Präzision. Der Nachteil ist, dass der Arbeitsgang des Schleifens sehr teuer ist und automatische Maschinen, die so einen Schliff herstellen können, sehr teuer sind. Das schlägt sich am Ende auch im Endpreis des Objektivs nieder: Es wird auch im Laden teurer.
Dann kann man solche Linsen durchaus unter Hochdruck in eine Form pressen. Das geht schneller und führt nur bei sehr genauem Arbeiten und ausgiebiger Qualitätskontrolle durchaus zu guten Ergebnissen. Allerdings wird bei billigeren Optiken immer weniger genau gearbeitet und selektiert als bei teureren: Das hält die Kosten niedrig und sorgt leider auch für die schlechtere Qualität.
Als nächsten Faktor haben wir noch den Entwicklungsaufwand: Besonders bei Zoomobjektiven ist das Ganze sehr teuer: Wenn man ein billiges Objektiv baut, sind Kompromisse in der Qualität um so wahrscheinlicher, je billiger der Verkaufspreis ist.
Wirklich ohne qualitative Kompromisse kann man allerdings nach wie vor nur die Fesbrennweiten bauen, wobei sich die qualitativen Grenzen allerdings mehr und mehr zugunsten der Zooms verschieben und die Festbrennweiten immer mehr zu Goodies für Spezialisten werden. Die Preise, vor allem bei neuen Konstruktionen, entsprechen sowohl dem optischen Aufwand als auch den geringeren Stückzahlen. Eine Ausnahme bilden nur alte Rechnungen, die es auch noch auf dem Markt gibt. Man erkennt sie vor allem am Preis, aber auch an der äußeren Anmutung: Meisten sehen sie „älter“ aus. Der Qualität an sich wird das allerdings keinen Abbruch tun: Sie entsprechen allerdings meistens nur den Standards des ersten Produktionsjahres und sind zuweilen für die digitale Fotografie nur bedingt geeignet, wenn die Kamera ein Pixelriese wie eine Canon EOD 5DMk2 oder MK3 ist. Bei den modernsten Kameras anderer Hersteller gilt das wohl analog: Wir hatten hier mal ein Pentax- Weitwinkel ohne Autofokus, das an einer analogen Kamera von herausragender Qualität war und das an einer Digitalen(es war eine günstige K-X, die eigentlich sehr gut ist) eher schwach gewesen ist. Die Konstruktion stammte aus den 1980er Jahren. Ähnliches gilt, wie gesagt, für alle Kamerahersteller: Man muss es ausprobieren und dann entscheiden, wenn eine Umstellung auf Digital stattfinden soll und man das analoge Equipment verkaufen will.
Auf der anderen Seite gilt die Regel „was da ist, ist da“ und man hat bereits einen ausrüstungstechnischen Grundstock, von dem aus man schrittweise auf modernere Objektive umstellen kann, wenn man feststellt, dass das notwendig wird.
Rückschlüsse auf die Praxis sollte dieser Teil des pseudowissenschaftlichen Tests ebenfalls ermöglichen: Zumindest bei der Verzeichnung gilt: Ist sie entweder tonnen- oder kissenförmig, ist sie ohne größere Schwierigkeiten in einer leistungsfähigen Software korrigierbar. Für wellenförmige Verzeichnung gilt das nicht immer!
Damit sollte auch der denkbare Einsatz klar sein: Wellenförmig verzeichnende Objektive sind vor allem billiger und damit für den typischen Knipser gedacht, der vor allem Schnappschüsse macht und sich im Allgemeinen auf genau das und eher kleinere Abzüge beschränkt. Für alle gilt: Je größer der Abzug werden soll, desto sichtbarer wird das Problem und desto mehr Aufwand muss in die Korrektur gesteckt werden.
Nun aber Butter bei die Fische:
Als Testobjekt soll diesmal ein Zoomobjektiv dienen: In diesem Fall ist das ein Canon 1:2,8/24-70 L USM. Mam muss dazu sagen, dass genau dieses Objektiv zwei gravierende Vorteile hat: Einmal ist es nur rund 18 Monate alt, wie die Herstellercodes auf der Rückseite verraten und zu anderen ist es aufgrund eines Fallschadens zur Überholung in einer Canon- Vertragswerkstatt gewesen. Nach eingehenderPrüfung konnte man nach der Reparatur nicht nur eine erhebliche Verbesserung der Abbildungsqualität feststellen, sondern zudem noch eine bessere Zentrierung des Linsenkits darin ausmachen. Ob schwache Leistung am Fallschaden gelegen hat, stelle ich hier mal der Spekulation anheim, aber ich denke, dass das wohl der Fall gewesen sein dürfte. Die meisten Neukäufer dieser Linse äußern sich positiv über das Objektiv.
Weil wir hier immer noch pseudowissenschaftlich sind, ist auch das Messobjekt pseudowissenschaftlich. Heute muss mal eine alte Holzverkleidung in meiner Dachkammer herhalten, deren Pendants in den anderen Räumen längst im Orkus der Geschichte gelandet sind. Ich mag sowas halt nicht.
Bild eins zeigt das Motiv, wie es aufgenommen wurde, die Kamera stand auf Programmautomatik und ich hatte einen Metz- Blitz darauf:
Hier kann man schon sehen, wo das Problem der Verzeichnung vor allem anzutreffen ist: an den Bildrändern nämlich. Je weiter man zur Bildmitte hin geht, desto geringer ist sie. zudem ist das Bild hier ein Beispiel für einen leicht zu korrigierende Abbildungsfehler, weil es halt nur eine Verzeichnungsart ist.
Der nächste Schritt besteht aus Suchen: Man sucht ein gerade Linie ab Bildrand, die am besten in den Ecken endet und natürlich eine Krümmung aufweist. Hier ist das sehr schön am unteren Rand zu sehen. Anwählen und freistellen ergibt das hier:
Wichtig dabei ist, dass man nicht den gesamte Bildteil braucht, sonden nur den, der bis zur maximalen Höhe des erkennbaren Bogens reicht. Das ist das oben Gezeigte.
Um zu unserem gesuchten Wert zu kommen, müssen wir aber nochmal freistellen:
jetzt müssen wir die Bildhöhe ermitteln. Dieser Ausschnitt stammt von obigen Bild. Meine Standardgröße für Webseiten ist 1000×667 Pixel:
Die ermittelte Bildhöhe ist 16 Pixel. Jetzt kann man das auch nachrechnen:
16/667 = 0,023988
…Oder in Prozenten ausgedrückt 2,4%.
Die eingestellte Brennweite war 63mm am Objektiv, wir befanden uns also schon im Telebereich. Ich halte diesen Wert für sehr gut, zumal es sich um ein kompromissbehaftetes Zoomobjektiv handelt. Selbst wirklich gute Festbrennweiten erreichen meistens nur Werte um 1% herum, was schon als nicht mehr sichtbar gilt.
Worauf man im Einsatz achten sollte:
Wenn das Objektiv derartige Verzeichnungen in stärkerem Umfang aufweist, lässt sich das manchmal durch die Wahl des Bildausschnitts verstecken: Einfach den Horizont nach weiter nach oben verlegen.
Architekturaufnahmen sollten in den meisten Fällen korrigiert werden.
Portraits brauchen meistens keine Korrektur, Gruppenfotos manchmal.
Je billiger das Objektiv ist, desto größer sind die Kompromisse in der Qualität. Andererseits reichen preiswerte Objektive fürs Fotoalbum in den meisten Fällen aus.
Und vor allem immer daran denken: Solche Testreihen sind zwar interessant, aber wirklich zu fotografieren ist weitaus interessanter und macht eigentlich mehr Spaß als Objektive zu testen.